dezember, 2018

so09dez17:0019:00No LIMITs @ Martinskirche BaselNeues Orchester Basel | Von van Eyck bis TschaikowskiBasel (CH), Martinskirche

Event Details

Maurice Steger | recorder – Blockflöte
Christian Knüsel | direction – Leitung
Neues Orchester Basel

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GEORG PHILIPP TELEMANN (1681 – 1767) KONZERT FÜR BLOCKFLÖTE IN C-DUR | JOHANN PACHELBEL (1653 – 1706) KANON | JEAN-PHILIPPE RAMEAU (1683 -1764) ORAGE & CONTREDANSE | JACOB VAN EYCK (1590 – 1657) ENGELS NACHTEGAELTJE | ANTONIO VIVALDI (1678 – 1741) CONCERTO «IL GARDELLINO» RV 428 | PJOTR TSCHAIKOWSKI (1840 – 1893) SERENADE IN C-DUR OP. 48

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Entscheidende Prägungen geschehen in frühester Kindheit. Das Gehör spielt eine wichtige Rolle. Jeder hat eigene Erinnerungen an Klänge, die prägend waren. Und doch gibt es Naturlaute von Wind und Wasser oder von Vogelstimmen, die eine besondere Wirkung haben und allen vertraut sind. Aus solchen archaischen Klängen wird für den ersten Teil des Konzerts eine Tonspur zusammengestellt, die als verbindendes Element durch das Programm führt. Diese Stimmungen werden von den Musikstücken nahtlos aufgenommen. Viele Werke aus der Barockzeit leben von programmatischen «della natura»-Effekten. Jean-Philippe Rameau lässt Sturm und Gewitter durchs Orchester fegen. In Antonio Vivaldis Konzert «Il gardellino» und in Jacob Van Eycks «Engels Nachtegaeltje» bekommen Distelfink und Nachtigall eine Stimme. Diese Vogelgezwitscher-Imitationen der Blockflöte fordern vom Solisten scheinbar grenzenlose Virtuosität. Andere Kompositionen, wie Pachelbels Kanon, sind schon von der Form her auf Grenzenlosigkeit angelegt. In der Bassstimme erklingt eine kreisende Ostinato-Figur, die 28 Mal wiederholt wird. Die Auswahl der Werke spiegelt die ganze Vielfalt europäischer Klangfarben und Kompositions- verfahren. Telemanns Konzert für Blockflöte vereint gar verschiedene Stile im selben Werk. Es ist ein Paradestück des «vermischten Geschmacks», wie diese Schreibweise von zeitgenössischen Musiktheoretikern genannt wurde. Nicht die «gelehrte und arbeitsame Vielstimmigkeit», wie man sie von einem deutschen Meister erwarten würde, steht im Vordergrund. Stattdessen orientiert sich das Werk formal an der italienischen Sonata da chiesa, weist aber ebenso französische Stilelemente auf.

Noch einen Schritt weiter geht Pjotr Tschaikowski in seiner Streicherserenade. Das Werk hebt an mit dem Gestus einer barocken französischen Ouvertüre, das schwärmerische Hauptthema könnte von einem deutschen Romantiker wie Schumann stammen, bis es von der Mozartschen Leichtigkeit des zweiten Themas abgelöst wird. Der zweite Satz ist ein Walzer, «der über die Kunst eines Johann Strauss französisches Parfüm giesst», wie ein Zeitgenosse schrieb. Schliesslich treten auch slawische Einflüsse und russische Volksliedthemen in Erscheinung. Tschaikowski wurde denn auch kritisiert dafür, dass er sich nicht einer nationalrussischen Schule verschrieb, sondern Elemente anderer Musikstile einfliessen liess. Und doch klingt das Werk ganz und gar nach Tschaikowski und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Die Streicherserenade ist, wie der Komponist schreibt, «aus eigenem innerem Antrieb» und «aus freiheitlichem Denken entstanden.»

Klänge spiegeln Identität, sie vermitteln das Gefühl von Bindung und Zugehörigkeit. Aber Identifikation bedeutet auch Abgrenzung gegenüber Aussenstehenden und Andersartigem. Ist eine Identität denkbar, die nicht eingrenzt, sondern unserer eigenen Wandlungsfähigkeit Raum gibt?

Vielleicht meint Tschaikowski mit seinem Hinweis auf freiheitliches Denken diese Offenheit, verschiedene Einflüsse aufzunehmen und sich zu eigen zu machen. Damit die gewohnten Klänge und unsere Prägungen nicht Grenzen sind, sondern Ausgangspunkte für neue Hörerfahrungen.

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Tickets: https://www.ticketino.com/de/Event/Neues-Orchester-Basel-no-limits/76176

Infos: http://www.neuesorchesterbasel.ch

Zeit

(Sonntag) 17:00 - 19:00

Ort

Basel (CH), Martinskirche

Martinskirchplatz 4, 4051 Basel

Basel (CH), MartinskircheMartinskirchplatz 4, 4051 Basel

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